SEAFLYs website
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blastula: Seafly
...ist das Ergebnis privater Segelforschung,
so ganz nach dem Motto, was man besser,
einfacher, vor allem unsinkbar, kenter-,
roll- und stampf-sicher machen kann. Sie
mußte keiner Lobby gefallen, um moderne
Ansprüche mit sehr alten Seetüchtigkeits-
gedanken zu vereinen. Nun bietet sie
mäzenatische Erlebensfreude und
Kooperationspartnern mediterrane,
atlantische oder weltweite Beachtung, weil
sie dem Fahrtensegler ein faszinierendes
Konzept, dem schmalen Geldbeutel ein
machbares und dem Anspruchvollsten die
exclusive Einzelfertigung bietet.
bulletin: Impressum
bürde: Gerald Schütze
bimmeln: 0(049) 7422 - 3520
binnen: D-78713 Berneckbad
buten: FN 21999
bändeln: gerald@seafly-proa.de
beseelen: VB: 44.153.007 BLZ: 642.920.20
was denn, wo? Musterbau kiebitzen kommen ?
da führt nur ein Weg am Berneckbad vorbei,
der durch das
„Bär´n-Eck-Tal“ zwischen
Tennenbronn und Schramberg unterhalb der
Burg
Falkenstein, etwa eine Trailerstunde
zwischen Goldscheuer und Sipplingen und
zehn
Stunden zwischen Eckernförde und Agde, also
genau im Zentrum Europas, alles
klar?
Für den
unbeteiligten Leser spielt es keine Rolle, was noch nicht passiert ist, aber
auf See ist man besser auf alle Unwägbarkeiten vorbereitet, von denen man dann nie etwas erfährt, weil das Zeugnis entschwindet und stets wieder Neues drängelt oder Unwichtiges wichtig wird,
wie seine Beine erstmal nur auf die ruhende Mutter Erde zu strecken, auch wenn
es nur der schmale Saum eines klitzekleinen Eilands ist, das dafür aus dem
ewigen Meer gereicht wird, die Auslenkungen einer manch wochenlangen Resonanz
an seine neue Zeitachse zu schmiegen… so seien den tapferen Nachrichtenmachern
zuhause hier wenigstens ein paar Momente in das Heute
und Ehrfurcht in unsere prähistorische Vergangenheit zurückgegeben:
Langsam
zeichnen sich scharfe Konturen ab. Das müssen die ersten Sonnenstrahlen sein, die
über die Kimm kriechen und den Schatten Schiff voraus auf die unbewegte
See werfen.
“Was ist
das?“
„Ah”
erschrak ich, “moin, gut ge…“
„Sag
endlich, was ist das“ und zeigte über alles hinweg
aber ich sah nix und fragte: „Die Kimm?“
„Die Kimm?“
„Ja, der
Horizont.“
„Guten Morgen.“
Ob das Ironie war? „Mächtig
verschlafen, was?“
„Ich habe
geträumt, dass wir den Lorenz hochschleichen, aber
dafür ist es viel zu warm hier.“
„Es ist
noch scheißkalt hier.“
„Noch? - Wart
mal, wie kalt ein Eisberg den Atlantik machen kann.“
„Wo ist ein
Eisberg?“
„Wieso
fahren wir?“
Ich schaute
aufs Log, zwei Knoten vor dem Komma, „wieso nicht“, na ja, es war spiegelglatte
See, aber ein Blick nach oben machte alles klar. Der Mast war leicht nach vorne
getrimmt und das fallende Profil unter der gebogenen Hochgaffel verdankten wir
wohl mehr dem Eigengewicht des Segeltuchs als diesem schwachen Windhauch, aber
es reichte. Offenbar war da ein Lüftchen in fünfzehn Metern Höhe, das uns eine
sanfte Spur durch die äquatorialen Kalmen ziehen ließ. Dazwischen war noch das
Adrenalin, das schnellste Frühstück, das unserer Evolution doch immer wieder
lebhafte Abschnitte beschert: „Wo hast du Eisberge gesehen?“
„Wieso?
Fahren wir unter Strom?“
„Ne, du
kannst Kaffe kochen. Aber zeig mir erst den Eisberg.“
„Gleich,
aber sag mir, wieso das Ding fährt.“
„Gleich
WAS, wo ist der VERDAMMTE Eisberg?“ Es sind schon Wochen vergangen und manchmal
dauert es Tage aber heute hatten wir in Sekunden einen Streit vom Zaun
gebrochen,… bloß Ruhe, dachte ich, es kann gar keinen Eisberg geben, die Sonne
verdampfte mit zielsicherer Nackenbeheizung jeden Gedanken daran. „Mach Kaffee,
ich bleib solang´ am Ruder.“
„Du hast
die Finger ja gar nicht am Ruder“ kam es schnippisch zurück und er zog offenbar
eine Zigarette vor, „sag mir lieber, wie du fahren kannst, wir haben absolute
Windstille. Wieso fährt das Ding?“
„Stimmt,
der Passat ist irgendwann eingeschlafen aber wir sind auf dem anderen Bug
weiter, da kommt doch ein Zug von backbord rüber, oder? Mach mich jetzt nicht
verrückt“ drehte ich mich forsch um. Uli
streckte die Kippe nach Süden und guckte hinterher oder drüber weg. Eine dünne
Rauchfahne stieg wie im geschlossenen Raum in sanften Schlierfäden
auf:
„Kein Wind,
absolut kein Wind, wie fahren wir?“
„Kein
Problem, die SEAFLY hat ja nur eine Tonne auf ihre zehn Meter, vielleicht zwei
mit Deinem schweren Kopf, und da oben sind einige Quadratmeter
Profil.“
„Du spinnst
mir was vor.“
„Mach jetzt
Kaffee, bevor ich Dir den Strom mit Vollgas aus den Akkus sauge, ab in die
Kombüse.“
„Wie du
willst, aber wenn das Ding hinsteht, dann bin ich
nicht Schuld.“
„Mach sie
meinetwegen leer, wir kriegen gleich Knallsonne hier und brauchen ihn
vielleicht gar nicht heute.“
„Wen?“
„Den Strom,
wir kriegen heute bestimmt fünfzig Ampère zehn Stunden
lang. Sind wir jemals auf offener See mit Strom gefahren?“
„OK, OK,
ich geh ja schon aber glauben tu ich nix mehr. Wahrscheinlich hast Du noch
einen Scheißgasantrieb irgendwo eingebaut.“ Und bog sich den Niedergang wieder
runter.
Ich musste
lachen und hörte Ihn noch bruddeln:
„Vorgestern
haben wir mit Faulgas einen Fisch gegrillt, warum sollen wir dann heute nicht
ohne solche Errungenschaften fahren können?“
Der arme
Kerl hatte mir nicht geglaubt, dass die von Günter umgebaute Espressobombe als
Campingkocher fungieren kann, nein, er hatte mir einfach nicht glauben wollen,
dass man sie unterwegs jederzeit mit seiner Notdurft füllen kann.
„Wer spinnt
jetzt hier?“ zu mir selbst, denn man hörte mich nicht mehr: „Strom hat aus der
Steckdose zu kommen und Gas aus der Flasche?“
„Was ist?“
„Nix“
Da muss
erst wieder so ein Witzbold an allem zweifeln, dass man wieder ganz bewusst
seine umgebenden Selbstverständlichkeiten zu schätzen weiß, wir fahren, ja… bei
Windstille, aber vielleicht ist ein solcher Begriff mehr eine philosophische
als physikalische Metapher: „Gibt es das überhaupt, Windstille, wenn man das
als eine Qualität zwischen Null und Unendlich irgendwo scheiden will?“ ich
wusste nicht, ob ich redete, mit mir selbst oder dachte, aber ich wusste, dass
ich schmeichelnd munter wurde, wieder an diesem unwiderstehlichen Kaffeeduft,
der einem immer wann völlig unvorbereitet in die Sinne kriecht… und ließ das
Steuerrad wirklich Rad sein, setzte mich nach achtern schauend und schloss die
Augen: Morgensonne.
Plötzlich
bellte Sam. Ich riss die Augen auf. Der Kaffeepott schwebte vor meiner Nase.
Ich nahm die Tasse automatisch und wir schauten alle drei nach achtern in die
Morgensonne: nix auszumachen, es blendete, aber wenn Sam Luft horchte, dann
machten wir langsam ein regelmäßiges Stampfen aus: dock, dock, dock,… das
konnte Manfred sein, wenigstens dachte es Sam inzwischen stolz auf der Reeling und wedelte mit seinem Langhaarschwanz über unseren
heißen Kaffee hinweg, vor dem stets gleichen Sound, wenn er seinen Holzvergaser
fährt und seine mindestens fünfzehn Tonnen bei fast gleicher Schiffslänge
schiebt. Ich dachte der wäre meilenweit vor uns, vielleicht schon in der
Karibik. Wir hatten uns schließlich eine ganze Woche nicht gesehen. Wir hatten
niemand gesehen, in dieser Woche. Außer den Geisterschiffen in diesem black-squall.
Da war ja
auch grobe See, da konnte man niemand sehen aber jetzt war es Manfred. Der
hatte schon Fender draußen und kletterte von seinem hohen Freibord mit der
Leine in der Hand runter, machte am Ama fest und Ruhe
war bis irgendwann, „dass Ihr noch lebt, mein Gott, war das ein Sturm.“ Sturm?
Unwichtig. Keineswegs, aber anderes war wichtiger. Uli und Manfred übten sich
wieder in ihrer einmaligen Kunst, die ich mal redendes Zuhören nannte, wobei
sie zwischenzeitlich unter Deck verschwanden aber dann doch wieder oben
standen, jeder einen Pott in der Hand, da man sich wenigstens an etwas
festhalten muss.
Ich hatte
Probleme zu lösen. Die seafly wollte freikommen oder
Manfreds Julia umsegeln oder anluven, vielleicht einfach nur tanzen. Das
Gezerre hörte erst auf als ich ihr Leine gab und die rüber zur Achterklampe turnte, ruhig und stramm. Das Kielwasser ist
trotzdem gestorben und das Log sprang in indifferenten Dezimalen rum. OK, ich
nahm mir auch noch einen Kaffee, nein Günter war zwischenzeitlich wach und hat
mir zusammen mit einem halbmilitanten „moin“ einen
mitgebracht, ließ dann aber die Hälfte auf meinem Bauch stehen, gesichert mit
beiden Händen, und wir staunten sprachlos dem Deutschlandfunk oder genossen die
aufsteigende Sonne. Hinter den Augenliedern waren noch Sterne zu sehen. Die
Hundswache war wieder rum. Sie gefällt mir am Besten, der Ruhe wegen. Die hat
sich vom Boot geschlichen und den ganzen Atlantik eingehüllt.
Dazwischen
war endloses Palaver zu hören und könnte vielleicht etwas Wind und Wellen
machen. Sie schienen sich über Ufos zu unterhalten. Natürlich nicht nur. Sie
übten konsequent Ihre seltene Fähigkeit gleichzeitig mehrere Themen zu
behandeln und waren Meister darin, selbst liebevoll alle nur denkbaren
Kleinigkeiten gewissenhaft abzuarbeiten. Ein Thema waren dezentrale und
alternative Energieformen aber das ging mir schon länger gewaltig auf die
Nerven: „Es gibt keine Alternativen!“ musste ich nicht mehr sagen, es reichte
schon, wenn ich aufblickte, ich tat heute nichtmal
das und ertappte mich, dass ich über die Ortszeit nachdachte.
Egal wie
romantisch eine Situation auch sein mag oder wie viel unverschnittener Jamaika
die Sinne verwirrt, ein Skipper bleibt ein Skipper: Ich schätzte 45 Grad, also
musste es jetzt und hier, in der äquatorialen Tiefdruckrinne neun Uhr morgens
sein. Automatisch verglich ich die virtuell abstrahierte Geometrie mit dem
Kurs, West und war zufrieden. Rosi hält mich deshalb gelegentlich, oder sagen
wir im Grunde meines Herzens, für einen rationalen Menschen, aber glauben Sie
meinem Zweifel, ich beobachte lediglich aufmerksamer wie andere die
Automatismen meines Tuns, und, deshalb sind einfach
die gefühlsbetonten Aktionen, nein ihre oft hinterlistigen Motive, präsenter,
mehr nicht.
Da sagte
mal ein schlauer Mensch, „Gefühle sind nur das bewusste Resultat eines jeweils
unbewussten Kalküls“ und ich gehöre zu der Minderheit, für die genau dies
ausnahmslos zutrifft und bestimmt nicht zu denen, die sie bewusst einsetzen.
Der Unterschied zum Rest der Menschheit ist der zwanghafte Spaß daran,
vielleicht die absurde Sucht danach, hinter jedem Gefühl mit dem Kalkül zu
feilschen, aber davor bin ich sicher ein gefühlsbetonter Mensch, und sogar
stolz darauf, denn ich empfinde es als die absolute Krönung jeder überlebenden
Art, wenn sie vor jeder nur so schlauen Interpretation ihres Handelns eben
genau das Angemessene tun kann.
Wir
Menschen sollten uns nix darauf einbilden, was wir im Nachhinein noch
relativieren können, im Gegenteil machen wir es dafür zu schlecht, oder das
Interpretieren ist mangels Beweiskraft voller Fehlerquellen, dann sollten wir auf
den beträchtlichen Mangel an Dekadenz erst Recht stolz sein, der noch Handeln vor dem
Nachdenken erlaubt. Sonst bliebe da der Stolz aufs Schwafeln oder kultiviert
aufs einfältige Reden. Hatte sich da Günter eingemischt? „Gefühle sind nur
Kommunikationsmittel deren jeweiliges Kalkül hinter der Beweislast
anonym bleiben darf“ …und die Taten nur der Dummen schlimm, die sich ihrer Motive
überführen lassen? „Es wird noch schlimmer“ meinte Manfred, „wenn man mit
Gefühlen bewusst kalkuliert, der Täuschung wegen...“, ein richtig schlechtes Thema für uns Menschen.
Waren diese negativen Interpretation schon wieder Einflußnahmen der kurzwellig modulierten Nachrichten unserer Zivilisation? Vor diesem Zweifel feilschte ich nicht mehr voller Hingabe mit dem
Kalkül, aber ebenso bestimmt beglich ich alles, hier wegen seines lapidaren
Ergebnisses mit der gleichen Freude nun darüber, das Thema fallen lassen zu
können, denn bis hierher reichen die Arme nicht. Oder doch? Ja, soll ich das
Radio abschalten oder gar über Bord werfen? Was könnte ich schönes in direkter
Umgebung finden, wenn ich mit der kollektiven Verkrampfung online bin, und wenn, wie sollte ich in unserer Binnensprache beschreiben, dass diese Leuchtfeuer hier nur
blasse Resonanzen sind, die sich allenfalls in polynesische Sprachen übersetzen lassen, weil
die ein paar hundert Wörter für Himmelblau und deren Lichtspiele mit dem Wasser
haben, so wie sich arktische Erfahrungen nur in die Sprache der Inuit erzählen lassen, wenn man hundert Wörter für Schnee braucht, so brauchen wir hier die Sprache der Seele, die einzige nur, die einen Himmelstropfen im Schwerelosen begreift und die filigranen Kurslinien auf der imaginären Haut versteht, die ihn gravieren und das Ende zum Anfang machen, aber es gab in dieser Minute Unwichtigeres.
Beim Thema Ufo
bin ich zugegebenermaßen doch etwas aufmerksam geworden, denn wir hatten ja
schließlich das Bermudadreieck voraus. Dann hat sich schnell herausgestellt,
dass Manfred die Seafly für ein Ufo hielt, weil wir
aktiv im Sturm segelten und aus manchem Wellenberg herausschossen und nicht wie
er mit seinem Schwerdeplacer nur noch abwettern
konnten, stattdessen mit der großen Dünung mitgingen, als täte es Spaß machen. Das
hat dann sogar amüsiert weil es die Vorstellung ergriff, wie das von außen
aussehen würde, denn das Chaos innen, wie das aussieht, das wussten wir ja:
singende Wanten in den Harmonien der Infratonmelodie eines rasanten Geländeschlittens in dessen Vibrationen sich Alles neu sortiert.
Die
Vibrationen kommen seltsamerweise nicht von der rauen See, weil wir mit unserem
runden Steven immer obenauf bleiben und wegen der durchgehenden Dynamik auch
nie schlagartige Lastwechsel erleben, allenfalls mal unerwartet Aufzug fahren,
sondern aus der singenden Mastabspannung, die erst bei Segeldruck auf Spannzug
geht. Manfred hielt uns deshalb für kein Segelschiff, weil wir ja die Segel
unten hatten und bei großen Windgeschwindigkeiten nur noch die Angriffsfläche
des dabei fast brummenden Riggs zum Trimmen verwenden.
Wir hatten
den Mast samt seiner Stütze weit nach vorne gekippt und der Sturm hatte uns daran
ohne Segel gezogen, dann hatten wir noch einen Gummistropp
auf dem Ruder und den „Treibanker“, sorry, den
Autoreifen achteraus, weil die seafly ständig
abfallen wollte, und anluven, nein Kurshalten ging dann fast ohne Mannkräfte,
nachdem wir den Treibanker endlich auf Gegenkurs hatten, mit dem ständigen Auge
auf dem Kompass, eben weil man ja nix mehr sehen konnte, aber wir wollten halt
nicht nach Süd abfallen sondern auf West bleiben. Ich hatte Manfred auch
gesehen, war mir aber unsicher darüber, als wir ihn steuerbords in haushoher
Gischt vergessen mussten.
Deshalb
auch konnte Manfred gerade noch uns aber nicht unseren nackten Mast ausmachen,
genau genommen nur das über der See schwebende und vom darunter spielenden
Leben beleuchtete Auftriebsdach, das wir über der Brücke fahren, ein
Sicherheitselement, das uns nach einem Durchkentern blitzartig wieder hinstellt
weil es den Ausleger vom Wasser fern hält, …wie ne Kokosnuss, die ihren Bart im
Wasser als Kopfbehaarung trägt. Sonst schützt das Dach nur vor der Knallsonne
beziehungsweise trägt quadratmetergroße Solarpaneels oder schüchterne Mädels,
die mit der Sonne flirten und neugierige Ausgucker,
die hinter der Kimm noch was vermuten. Über den Sinn eines konstruktiven
Details wird mehr diskutiert als über die Asymmetrie einer Charakternase.
Anfangs bin ich stets Rede und Antwort gestanden, aber musste ich im Zweifel
die Sache verteidigen, taugte ich nicht zum Missionar und will dann zu meiner
Ehrenrettung grundsätzlich hadern, ob Vernunft überzeugen kann oder schlicht
nur Überzeugungen vernünftig sind.
Es war
wieder soweit, aber diesmal hat mir Uli treffsicher die Argumente abgenommen
und Manfred vorgetragen. War es Vernunft oder nur Ehrfurcht vor jahrhundertelang vergessenen Details völkerwandernder
Fahrzeuge, die kein sportliches Ausreiten verlangen und dafür zum bequemen
Sitzen darauf einfach nur einen Ausleger fahren? Vielleicht doch nicht, denn
wir Europäer würden den schönen Ausleger dann nicht zum Ausreiten gegen den
Wind, sondern in Lee fahren und bei mancher Welle so weit ins Wasser drücken,
dass das Ganze Purzelbaum macht, wie wir es 1968 beim OSTAR mit der Chers sehen
mussten, die für jeden Totalüberschlag einen Treppchenplatz riskierte und
gerade noch Dritter wurde.
Er hatte
mit ihm noch gefeilscht, dass es kein Trimaran sein
darf, der auch nur den meist kurzen Ausleger ins Wasser tunkt weil er das Boot
nicht tragen kann aber auch kein Katamaran sein darf, weil der nach einer
Durchkenterung nicht mehr aufstehen wird und dann zerlegt oder mit dem Kran
geborgen werden muss, sondern Einfacherweise nur ein Auslegerboot, weil der
stets kleinere oder leichtere Ausleger nach dem Durchkentern immer den gleichen
Weg zurückklettern wird und dann hörte ich Günter trocken, „Freiheitsgrade
folgen dem konstruktiven Detail“. War das „Aha“ eine dämmernde Einsicht oder
Ehrfurcht primitivster Optimierung, egal, ihm schien wenigstens die
architektonische Asymmetrie des Lebens darauf zu gefallen, und zeigte auf mich,
der es sich auf dem niederen Luv-Rumpf bequem gemacht hatte, dessen Innenleben
wir Hundekoje nennen, und fragte erschrocken: „nach fünfhundert Jahren?“
„Völkerwanderung
gibt es vielleicht seit Fünfzig Tausend und übers Wasser sicher schon fünf
Tausend und ihre Fahrzeuge sind Fünfhundert Jahre vergessen,“ korrigierte ich,
aber das war ein Fehler sich einzumischen, denn Manfred meinte entschlossen
„fünfzig Jahre“ und meinte er die seafly dann wären
es gerade mal „fünf Jahre“ auf der Bühne unserer kollektiven Wahrheit aber ich
beherrschte nicht die Kunst der simultanen Diskussion beliebig vieler Themen,
hier insbesondere galt es Beifall für die alternative Energie des Holzvergasers
zu finden.
Dann galt
das Interesse der Frage, ob die Alternativ-Rhetorik ein Ergebnis hat, wenn das
Motiv für Alternativen fehlt, und, wenn das Motiv existiere, gäbe es regelmäßig
gar keine Alternativen mehr, oder „würden wir einem gesunden Frosch
Sprungfedern empfehlen nur weil sie existieren?“ Manche suchen Alternativen des
besseren Wirkungsgrades wegen aber wenn es an Segelfläche mangelt fahre man
lieber Hochgaffel als einen Außenborder und unter Strom sei die Alternative das
leichtere Boot oder noch ein paar Quadratmeter Solarfläche aber immer noch kein
Außenborder, und, dass Solarstrom zu teuer wäre stimme auch nur vor dem Hintergrund
eines Energiebevorratungsgesetzes von 1933, das sogar Atomstrom nur mit
Subventionen des Steuerzahlers billig macht, wenn man die Endlagerung des
Abfalls künftigen Generationen aufbürdet.
Dann leuchtete offenbar der Vorteil ein, dass man das Brennmaterial als
Treibholz an jedem Strand in der entlegendsten Bucht
globalweit finden kann, aber auch nur solange das Treibholz nicht besteuert
wird, und wozu dann eine solche Alternative, wenn man elegant unter Segel und
über von anderen weggeworfenen Bugstrahlrudern mit wenigen Watt fahren kann?
Vielleicht
ist mein Hang zu geistiger Hygiene in sich selbst eine Perversion oder nur die
persönliche Therapie eines in jungen Jahren verwirrten Kopfes, der eben endlich
Ordnung im Hirn darüber haben will, was als gepriesene Alternative letztendlich
nur jene Kreisläufe wieder ankurbelt, die in segensreichen Zwängen gefangen
waren und dadurch unsere Welt vor beklemmender Freisetzung bewahrte.
Das gilt
für „fünf Millionen Jahre“ alten Kohlenstoff genauso
wie für „fünf Milliarden Jahre“ alte Zusammenhaltskräfte der Elemente. Nach
welcher Logik könne die stets vorhandene Wasser- Wind- Solar- oder sonst uns
umgebende Energie in aufwendig, meist schmutzig freigesetzten, auf jeden Fall
aber stets bruttosozialproduktorientiertem Aufwand
Alternativen haben oder solche sein, und deshalb misstrauten wir besser jedem
sonst so schlauen Umkehrschluss oder erforschen dann lieber die
Irreversibilität der Logik oder auch die gesellschaftsbreite Wichtigkeit, die
solches fordert, aber ich gab kleinhirnlaut bei:
„Klar,
danke, natürlich, aber wenn Du schon Energie brauchst, warum willst du sie dann
zusammenglauben, anstatt in die Dich umgebende einklinken oder einfach nur den
Auftrieb darin nutzen oder doch ganz nahe liegend, könnte für uns irgendein
Motor interessant sein? Ich würde lieber auf unsere 200 Pferdchen im
Außenborder verzichten als die 20 Quadratmeter unter der Hochgaffel über Bord
werfen zu müssen, zumal wir den Motor nur für jene Chartergäste flanieren, die
nicht glauben, dass wie ihn nicht brauchen solange die KüWa
willkommen ist,“ worauf sich Günter mit seinem spitzfindigem Charme einmischen
musste: „lieber mit steinzeitlichen Wissen in frischer Luft Auftrieb haben als
mit fossiler Energie schlechte Luft und Lärm machen.“
Zusammen
mit einem „Danke, apropos schlechte Luft...“ schnappte ich mir eine seiner natürlich noch immer auf ewig
existierenden Roth-Händle, brach aber seine stets
gute Organisation als Thema für jetzt und mich wieder ab, war mit dem ersten
Zug schon kein Ansprechpartner mehr, und Günter ließ sich und das Boot mit
manchem Schlenker mitreißen, der Tatsache was faszinierendes abzugewinnen, dass
die Abgase eines Treibholzvergasers wenigstens keine fossilen Kohlenstoffe
freisetzen, sondern da eben wieder im vorhanden Kreislauf sind, auf den wieder
unsere Bäume bauen.
Mir ist
dabei aufgefallen, dass wir nicht nur im Hafen, sondern auch auf hoher See eine
stets zusammengebändselte in-group
bilden, die vielleicht noch auf zwei drei Boote ansteigen würde, die irgendwo
in der Nähe sein mussten. Nix wie weg. Wahrscheinlich war es der nur langsam ostüberschreitende Wind, der sich einmischte und das Thema
darauf brachte, denn er kam von der falschen Seite, zurrte wieder an diesen „Bändseln“ und wir sollten die Seafly
vielleicht auf den anderen Bug bringen, wenn wir West halten wollten, also
beschäftigte mich die Frage, ob ich einen 300-Kilo-Ausleger auf die neue
Luv-Seite an fünfzehn zerrenden Tonnen vorbei bringe. „Ja das geht“ bestätigte
mir ein weicher Tritt auf die Leine.
Ich stand auf
und ging zu den Klampen am Mastfuß, der Neugierde
möglichen Grenzverhaltens folgend. Günter schnupperte und die anderen standen
auf als hätte ich ein Signal gesetzt aber sie verschwanden nur im Duft frisch
gebackener Brötchen. Ich verstand, warum wir von den Mädels noch keine auf Deck
gesehen haben und außerdem ist heute ja Weihnachten, wo immer alles anders ist,
nahm die Segelschot von der Klampe und fand noch
einen akzeptablen Punkt, aber es sah komisch aus, weil das Segel weit nach
vorne wollte und fast am Vorstag anschlug und
entschied schnell, „sie muss auf den
anderen Bug, mit oder ohne diesen Klotz da hinten, denn der Wind wird weiter
über achtern drehen“ und wird weiter zunehmen, dachte ich noch.
„Mach ne
Sorgleine an den neuen Zugpunkt“ zeigte Günter nach vorne aber ich grinste bei
der Vorstellung wir würden die „Boje“ stehen lassen.
Eigentlich
sind alle Manöver einer seafly immer einfach und
intuitiv zu machen aber diesmal musste ich meine Müdigkeit überwinden, „wie
dreht man eine achtern festgezurrte Proa im
Halbkreis, die nur eines kennt, ungeduldiges fortkommen?“
Die
Ungeduld resultierte aus kleinen Böen, die den Ausleger ins Wasser drückten
aber das hatten wir ja gerade, da gehört er nicht hin. Eine Proa
(das Auslegerboot) wird normalerweise gesegelt wie das fallende Blatt im
Herbst, hin und her, rechts und links im Zickzack um die Kurslinie aber mit
immer gleicher Seite zum Wind… und wie geht das mit einem Anhänger? Wir sollten
für ein Rutschauge etwas um die gesamte Luvseite bauen, Günter hatte Recht, die
„Zugleine“ muss auf den anderen Steven, Wende unter tonnenschwerem Treibanker,
dafür gibt’s noch was zu basteln.
Die „Wende“
folgt im Normalfall einem Automatismus, wenn man das Segel „wendet“ (back-stellen sagen da Insider), also den Wind von der
anderen Segelseite angreifen lässt. Augenblicklich stoppt das Fahrzeug auf und
fährt zurück. Das ist die „Wende“ wie bei der Straßenbahn an der
Endhaltestelle.
Dieses
Manöver lernen Leute ohne Segelschein schneller als diejenigen, die neben dem
Umsetzen um den Steuerstand dann noch Schwierigkeiten wie das anstehende Segel am Want vergeblich suchen. Es gibt keine, denn der Mast
steht durch eine Spieren-Stütze und nicht durch eine Abspannung an der dann
Segel anstehen würden. Ohne Wind hat die Proa
sozusagen ein Null-Kraft-Rigg und mit Wind nur Zuglasten, die am Ausleger
greifen.
Zum
Automatismus der Wende gehört dann noch, dass nach dem Segelbackstellen, also
direkt nach Einsetzen der Rückwärtsfahrt das Boot augenblicklich anluvt, in den
Wind fahren will, weil ja der Segelangriffspunkt dann noch viel zu weit neu-achtern der Schiffsmitte liegt und wenn man dann
Halbwind oder Raumkurs fahren will, genau dann setzt die Intuition des Skippers
ein, der den ganzen Mast samt Segel so lange nach neu-vorne
trimmt, bis der Kurs wieder stimmt, mit etwas Übung dann selbst-steuernd
auf Kurs geht weil alle Kräfte aufs Ruder verschwinden, aber jetzt wird Günter
den neuen Kurs notfalls mit dem Ruder halten.
Der
Mechanismus wird schnell durchschaut, denn ist das Segel weiter hinten, dann
will das Boot in den Wind (luvt an) und ist es weiter vorne, dann fällt es ab
und dazwischen ist der richtige Kurs, also nur Trimmsache. Die Leute ohne Übung
haben allesamt eine unglaubliche Freude, diesen Mechanismus im Auge zu behalten
und trimmen ständig nach, während die Routiniers auch mal erhaben mit einigen
Grad Kurs-Abweichung fahren. Erst viel später oder frühestens beim ersten
Regattafieber mit anderen Schiffen auf gleicher Höhe wird man noch ein paar
Prozente mit der Ruderanstellung rausholen, deren Optimum man dann am kleiner
werdenden Kielwasser beobachten kann, wenn sich das Unterwasserschiffsprofil in
die Stromlinien fügt.
Die „Wende“
habe deshalb für die Proa eine viel wörtlichere
Bedeutung, war zu hören, weil das Boot die Fahrtrichtung und nicht die Seite
zum Wind wechselt. Manfred glaubte die Wortschöpfung der „Wende“ sei dem
Rollverhalten der monos zu verdanken, im
Neigungswechsel der Krängung von links nach rechts und umgekehrt und dass die
ganze Crew dann wieder nach Luv klettern muss mit immer bissel Panik, ob der
Wind nicht zu stark werden würde. Aber auf multis
gibt’s wieder das nicht, sie segeln kerzengerade und brauchen nicht mal kardanische Pantrys. Hier bei der Proa
gäbe es allenfalls den Lastwechsel des Aufstoppens und Zurückfahrens aber kein
Schottrimmer wäre so schnell, dass deshalb Leute von Bord fallen, die bei
schwerer See sowieso unter Deck verschwinden und deren Magenfüllungen sogar
noch im Halbschlaf vorher das Kommando zur „Wende“ vernehmen.
So bleibt
die eine Schiffs-Seite immer zum Wind und die andere immer dem Wind abgewandt,
konkret hat man zur „Ausreitseite“ eben den Luvschwimmer mit dem so artigen
Schanzkleid und in Lee dahinter die Brückenrunde samt Steuerstand und erst
dahinter den großen und geräumigen Schiffskörper samt mittlerer Stehhöhe in der
Pantry zwischen den drei-Meter-langen doppel-Kojen-Schotts für die Gäste, die auch mal was in die
Bordkasse werfen.
Zusammen
mit den kleinen Honoraren dieser leider noch spärlichen Reiseberichte haben wir
dann auch mal das Geld zu Hause im ver-krampften
Deutschland bei guten Freunden Urlaub zu machen. Na ja, Schiffe mit acht Kojen
können sich im Allgemeinen selbst finanzieren. Norbert macht auf seiner Catana sogar eine viertel mio in
jeder Saison mit day-sailing und hüpft mit meist
zwanzig Tagesgästen zwischen den Inseln rum aber das ist vielleicht auch schon
wieder ver-krampft? Finden Sie nicht?
Während
solcher Gesprächs- und Gedankenfetzen fand ich mich plötzlich auf Manfreds
Schiff und legte mit einem Palsteck gesichert eine
Schlaufe über seine vordere Ankerwitch, warf den
aufgeschossenen Rest der Schwimmleine ins Wasser und behielt das andere Ende in
der Hand. Damit kletterte ich dann wieder auf die seafly,
an der Rehling um den ganzen Auslegerschwimmer herum und ich machte das
Leinen-Ende am vorderen seafly-Steven fest, konnte
die Leinenlänge noch etwas dichter holen und bekam dafür noch acht Meter
Sicherheitslänge, die Günter noch auf die Mastklampen
legte, damit die fünfzehn Tonnen nicht auf der neuen Achterklampe
greifen, sondern unter den Mastfuß geleitet werden. Vielleicht wollte der Wind
die doppelte Leine für seine Schicht.
Dann
kletterte ich wieder zurück und fierte langsam die Spannung aus dem alten
Festmacher. Die seafly löste und drehte sich sofort
und Günter trimmte den Mast erst aufrecht über die Mitte und leicht auf neu-vorn. Er hielt die Segelschot in der Hand, damit der
neue Ruck nicht zu stark wird, wenn dann der tonnenschwere „Treibanker“ auf Zug
geht. Es geschah alles in Zeitlupe und nur er merkte was von dem Ruck, belegte
die Schot und die Hand ans Ruder, quittierte mit „West“, das war das Kommando,
ich konnte gehen.
Wir haben
dann langsam Fahrt aufgenommen und der Wind frischte nicht zu früh auf. Man
Staune, da haben wir mit unseren siebzig Quadratmeter Manfreds Tonnage im
Schlepp und fahren zügig weiter. Bei fünf Knoten bemerkte ich Müdigkeit
indessen machte Günter das Segel wieder etwas auf, „für solche Kräfte haben wir
das Rigg nicht gebaut,“ jedoch empfunden haben wir still die Freude, dass wir das
noch erleben durften.
Soviel mal
Heute, denn es ist noch wichtiger, unser
aktuelles Projekt
fertig zu stellen,
als alle denkbaren Erfahrungen damit auf unserer
halb-so-großen
fünf-Meter-Studie
wieder und wieder vorwegzunehmen und
gegen all das zu verteidigen, was in den letzten fünfhundert Jahren von
maßhaltiger Industriemeterware mal abgesehen angeblich besser geworden wäre, so
hatten wir noch denen versprochen etwas
Logbuch
zu schreiben, die da mitmachen
wollen oder aus anderen Gründen ihren Beitrag zum Gelingen leisten.